Balkan ’15 – 2. Schwarze Berge

 

Zwei Tage hab ich noch bis zum Treffen mit meinen Reisekameraden, mit denen ich durch Albanien fahren will. Am ersten Tag geht es zusammen mit Farid auf eine Tour durch die Morača- und Tara-Schlucht und ins Dumitor Gebirge. Am zweiten Tag werde ich einmal rund um den Shkodër-See fahren.

 


 13. Mai 2015 | Morača – Tara – Žabljak


Die Tour ist ambitioniert. 450 km bedeuten acht bis neun Stunden Fahrzeit, da bleibt nicht viel Zeit für Pausen. Dazu kommt die Ungewissheit, ob der Pass durchs Dumitor Gebirge schon offen ist.

Los geht es von der Küste aus über die wunderschöne und kurvenreiche alte Passstrasse zum malerisch gelegenen Shkodër-See, den wir auf einem Damm und einer Brücke überqueren.

Die Hauptstadt Podgorica lassen wir links liegen und fahren auf direktem Weg in die Morača-Schlucht. Die Strasse ist zunächst breit und übersichtlich, doch die Schlucht wird immer enger, die Szenerie wird spektakulärer und die Chancen zum Überholen werden immer rarer. So passen wir unsere Fotostopps dem Verkehr an und müssen öfters rekordverdächtige Einlagen machen, damit wir nicht wieder hinter einem LKW landen, dem wir dann wieder endlos hinterhertrödeln müssen, weil es an Überholmöglichkeiten mangelt.

Irgendwann verlassen wir die Morača und fahren über einen Pass weiter nach Kolašin, dem Eingang zur Tara-Schlucht. Dort verlassen wir die Hauptstrasse. Der Verkehr wird ruhiger und auch die Strassenführung ist nicht mehr so halsbrecherisch. Trotzdem stossen wir auf neue Herausforderungen! auf der kompletten Strecke bis zur Tara-Brücke treffen wir immer wieder (besonders gerne in schnellen Kurven) auf Stellen, an denen die oberste Asphaltschicht ca. 5 cm tief abgefräst wurde. Warnschilder gibt es natürlich keine, und so fahren wir entweder Slalom, oder wir reiten die Stufen stehend ab. Als uns eine vollbepackte 1200er GS Adventure mit Sozia überholt, fühlt es sich an, als wären wir auf Mofas unterwegs. Hoffentlich müssen wir die nicht in ein paar Kilometern von  der Strasse kratzen.

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Die berühmte Đurđevića-Tara-Brücke kommt mir vor, als wäre sie seit meinem letzten Besuch 2013 um 20 Jahre gealtert. Der Beton ist rissig und überall stehen blanke Armierungen heraus. Da offensichtlich das Geld für eine Sanierung fehlt, wird sie wohl eines Tages einstürzen; hoffentlich nicht wenn gerade ein voll besetzer Büs drüber fährt.

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Wir hoffen, dass das Seil, an dem man im Tyrolienne Style über die Schlucht donnern kann, besser in Schuss ist als die Brücke. Die waghalsigen Helden, denen wir bei ihrer abenteuerlichen Seilbahnfahrt zuschauen, kommen zumindest alle heil am andern Ufer der Tara an.

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Von der Brück aus geht es in weiten Kehren hinauf auf eine Hochebene nach Žabljak, dem Zentrum des Dumitor Nationalparks und mir kommt ein Hit aus den 80ern in den Sinn. Žabljak ist scheinbar nur in der Winter- und Sommersaison geöffnet, doch wir finden wenigstens eine Tankstelle, bei der wir uns nach der Befahrbarkeit der Bergstrasse erkundigen können. Eine Anfahrt zum Pass ist leider wegen eines Erdrutschs gesperrt, und die alternative Route kann ich weder auf dem Navi, noch auf der Karte nachvollziehen. Da es für eine Expedition schon zu spät ist, machen wir uns auf den fast kurvenlosen Heimweg, der nur bei Šavnik durch ein paar Serpentinen aufgelockert wird. Dass es zwischen Nikšić und Danilovgrad noch eine alternative, kurvenreiche Strecke gegeben hätte, merke ich erst später.

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Immerhin bleibt uns als krönender Abschluss der Tour noch die traumhafte Nordroute von Podgorica über Budva nach Petrovac, die ich teilweise schon am Vortag gefahren bin. Hier werden mir dann auch zum ersten mal in schnellen langgezogenen Kurven die Stollenreifen ein bisschen unheimlich, weil in grösseren Schräglagen der Lenker zu flattern beginnt.

 

 


14. Mai 2015 | Rund um den Shkodër-See


Bevor ich mich heute Abend bei Gottfried Neuner in Tuzi mit meinen Reisekameraden treffe, geht es schon mal zum Schnuppern nach Albanien. Ich fahre eine Runde um den Shkodër-See, der etwa zur einem Drittel in Albanien liegt.

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Bis zum Seedamm fahre ich auf der gleich Strecke wie am Vortag, aber diesmal hab ich genug Zeit, um ein paar Fotos zu schiessen. Da nur wenige Autos unterwegs sind, kann ich mitten auf dem Damm anhalten, auf den nochmal etwas höher liegenden Bahndamm klettern und ein paar Panaoramaansichten einfangen. Danach geht es wieder zurück, denn ich möchte über die Bergkette am Südwestufer in Richtung Shkodër fahren.

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Nach einem kleinen Dorf, von dem aus man Bootsausflüge auf den See unternehmen kann, geht es über eine schmale, leicht ansteigende Strassenach Süd-Osten. Von hier aus habe ich einen herrlichen Blick auf den See und die dahinter im Dunst verschwindenden Berge. Dort muss es irgendwo nach Theth oder ins Vermosh Tal gehen. Ich bin gespannt.

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Auf dem Grat des Höhenzugs angekommen, kurz vor der albanischen Grenze, macht die Strasse einen Knick in die Gegenrichtung.  Hier lasse ich mich wieder einmal auf eine Abkürzung ein und fahre auf einem schmalen Weg hinunter in die Ebene in Richtung Grenzübergang. Der Verkehr ist Überschaubar, denn ich treffe lediglich einen Mann, der zwei Esel führt und eine Herde Schafe, die im Schutz des von Bäumen überwachsenen Hohlwegs ein bisschen Schatten suchen. Jetzt fällt auch mir auf, dass es ziemlich heiss geworden ist.

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Die Einreise nach Albanien geht, wie zu erwarten war, schnell und problemlos. Ich fahre wieder einmal vorbei an allen wartenden Autos bis zum Grenzposten, stelle das Moped ab und drängele mich freundlich vor. Die Abfertigung verläuft besonders zügig. Irgendwie kommt es mir vor, als gäbe es eine bevorzugte Behandlung für Touristen aus dem reichen Norden. Aber vielleicht haben auch alle nur Mitleid mit einem viel zu dick angezogenen Motorradfahrer, der in der Nachmittagssone dahinzuschmelzen scheint.

Kurz vor Shkodër fliesen der mäandernde Drin mit der Buna, dem Abfluss des Sees zusammen. Die wasserreiche sehr fruchtbare Ebene ist ein enormer Kontrast zu dem kargen Bergland, aus dem ich gerade komme. Es scheint tatsächlich so, als wäre hier in Albanien das Gras ein wenig grüner als nebenan in Montenegro.

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In einer der grossen Einfallstrassen sticht mir dann plötzlich ein Vodafone Logo ins Auge. Bei Vodafone Albanien gibt es für fünf Euro eine prepaid SIM Karte mit fünf GB Daten im 3G Netz, also 0.1 ct/MB. Das hatte ich zu hause schon recherchiert. Im Roaming würde ich hier pro MB mehr als das 17’000-fache zahlen. Ich nehme mir vor, demnächst einmal die Definition für Wucher nachzuschlagen. Wobei es sich beim Faktor 17’000 schon eher um Wucher zum Quadrat handelt. Nach nur einer Stunde hat es der nette Herr im Telefonladen schon geschafft,  mir eine freigeschaltete SIM Karte auszuhändigen. Ich trinke derweil zwei leckere Cappuccinos und lasse mein Moped, das auf der anderen Strassenseite steht keine Sekunde aus den Augen, doch es nimmt kaum jemand überhaupt Notiz davon.

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Auf der Suche nach der historischen Altstadt komme ich ein bisschen in der Stadt herum. Kleine Gässchen, grosse Boulevards, aber keine Altstadt. Wenn ich Passanten frage bekomme ich nur fragende Blicke als Antwort und mein Navi kann mir diesmal auch nicht weiter helfen. Also irre ich noch ein bisschen umher, bis ich schliesslich in einem Wohnquartier vor einer Pizzeria stehe. Da ich hungrig bin frage ich auf Englisch, ob ich noch was zum Essen bekomme und ob ich in EUR zahlen kann. Man versteht mich, und ich werde gebeten, mich zum Chef und einem bewaffneten Herren im blauen T-Shirt an den Tisch zu setzen. Arian spricht perfekt Deutsch und Englisch und sein Freund Dietmar, der Polizist, spricht sehr gut Englisch. Ich bin ihr Gast und ich kann mich nur schwer davor wehren, Rotwein und Schnaps zu trinken. Wir reden über alles Mögliche und als ich mich verabschieden will, gibt mir Dietmar noch die Nummer seines Dienst-Handies. Einen Polizisten zum Freund zu haben kann hier sicher nicht schaden!

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Die Suche nach der Altstatt gebe ich auf, ich will noch Bergluft schnuppern. Ich fahre entlang des Nordufers zurück in Richtung Montenegro und biege kurz vor der Grenze rechts ab auf die SH-20, die ins Vermosh Tal führt. Da ich um 18:00 in Tuzi kurz hinter der Grenze sein will, liegt nur ein kleiner Abstecher drin, aber ich bin neugierig. Auf einem nagelneuen Belag geht es in sauber ausgebauten Serpentinen hinauf auf eine Hochebene, die auf der anderen Seite steil ins Tal der Cijevna abfällt. Von einem Aussichtspunkt geniesse ich den Blick auf die nagelneuen Kehren, aber ich bin spät dran und will mir die Abfahrt für später aufheben. Ein Fehler, denn auf dieser Tour werde ich leider nicht mehr hier hin kommen.

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Doch auch der gleiche Weg zurück, den ich gerade gekommen bin lässt mein Herz höher schlagen, und ich freue mich drauf, gleich meine Reisepartner, die mit VW-Bus und Anhänger aus Wien anreisen, kennenzulernen. Wir treffen uns bei Gottfried, einer tiroler Enduro-Legende. Der mehrfache Erzberg-Rodeo-Finisher hat hier ein Haus und bietet geführte Touren auf Hard-Enduros an.

 

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