Theth – Die Reife(n)prüfung

Im Norden Albaniens, im zweiten Tal links, hinter dem Thore-Pass versteckt, liegt Theth, ein kleines Juwel für Enduristen. Wobei das eigentliche Ziel nicht die Siedlung selbst, sondern der Weg dorthin ist.

Die Südroute

Neben dem einfachen Weg von Norden aus über den besagten Thore-Pass, der schon schwer genug ist, gibt es für Masochisten noch die Südroute durchs Kir Tal. 150 km, davon die Hälfte unbefestigt und davon wiederum ein grosser Teil in einem miserablen Zustand mit engen steilen Kehren, grobem Schotter, ausgewaschenen Spuren oder grobem felsigem Untergrund. Da ich die Nordroute schon vor zwei Jahren alleine hin- und zurück gefahren bin, wollte ich mich diesmal an die grosse Herausforderung der Südroute wagen. Zusammen mit Rainer, einem erfahrenen Enduristen, sollte die Sache machbar sein, für mich war allerdings klar, dass ich abbreche falls die Anforderungen der Piste mein Können dauerhaft übersteigen würden.

Rückblickend kann ich sagen, dass ich zwar selten überfordert war, allerdings bewegte ich mich fast permanent am Limit meines Fahrkönnens und meiner Kondition, was sich dann auch anschliessend in einem zwei Tage andauernden Muskelkater in Armen und Beinen zeigte. Viel länger als die Schmerzen hielt aber das Grinsen an und ich strahle immer noch, wenn ich daran danke, dass ich Bezwinger der legendären Theth-Südroute bin 🙂

Tückische Anfahrt

Auch die Anfahrt bis Prekal, obwohl komplett asphaltiert, hat schon ihre Tücken. Die Navigation gestaltet sich schwierig. Hinweisschilder fehlen komplett und auf dem Navi stehen andere Ortsbezeichnungen als auf der Karte. So sind wir uns am Ende des Asphalts nicht ganz sicher, ob wir im richtigen Tal gelandet sind, doch ich bilde mir ein, die Gegend anhand diverser Videos, die ich mir über den Winter angeschaut hatte, wiederzukennen. Also senke ich den Reifendruck auf 1.8/1.9 bar und los geht’s.

Wir sind spät dran und es ist jetzt schon ziemlich heiss. Aber ich darf mich nicht beschweren. Schliesslich kann ich bei meiner hellen Jacke vorne und hinten grossflächige Teile der Aussenhülle wegklappen, sodass nur noch luftiges Netzgewebe bleibt. Auch an den Ärmeln und Hosenbeinen habe ich grosse Belüftungsöffnungen. Rainer muss stattdessen in seinen schwarzen Sachen im eigenen Saft schmoren.

Die richtige Fahrtechnik

Ziemlich schnell wird mir klar, dass das kein Sonntagsspaziergang mit ein paar schweren Schlüsselstellen wird. die Anforderungen an die Konzentration sind permanent hoch. Der Weg hat meistens zwei Spurrinnen, von denen die einfachste ausgesucht werden will, doch auf einer Seite geht es fast immer ohne Seitenbefestigung steil bergab. Schwindelfreiheit ist hier von Vorteil.

Im Stehen fährt es sich zwar einfacher, die Position ist mir aber trotz Lenkererhöhung nicht besonders angenehm, deshalb fahre ich einen Grossteil der Strecke sitzend und steige nur bei steilen Anstiegen und engen Kehren in die Rasten, doch davon gibt es besonders bei der ersten Passfahrt mehr als genug.

Je weiter wir voran kommen, desto mehr wundere ich mich, wie leicht sich doch mein Dickschiff aus ca. 250 kg Metall und Plastik dirigieren lässt. Mit ordentlich Gas lassen sich die übelsten Stellen bergauf sicher durchpflügen doch auch bergab in weichem Schotter fühle ich mich nie unwohl. So wird die Piste, obwohl sie körperlich sehr anstrengend ist, für mich mit jedem Kilometer einfacher zu fahren, weil die GS und ich irgendwie immer mehr zusammen wachsen. Obwohl eine Grossenduro auf diesem Weg sicher nicht das perfekte Fortbewegungsmittel ist, meistern Mensch und Maschine zusammen die Herausforderungen mit Bravour.

Mitschuldig an dieser Leistung sind sicher auch die Heidenau K60 Scout, die mir nie das Gefühl geben, dass ich den Boden unter den Füssen verliere oder die GS nicht dahin dirigieren könnte, wo sie hin soll.

Am Ziel – aber noch nicht am Ende

Um kurz nach 16:00 Uhr erreichen wir nach 60 km Piste, die ich grossteils im ersten Gang gefahren bin, die Brücke von Theth. Wow, wir haben es geschafft. Zwar liegen noch knapp 15 km und 1’000 Höhenmeter unbefestigter Piste vor uns, aber die bin ich vor zwei Jahren schon gefahren und weiss ungefähr, was auf uns zukommt. So können wir jetzt entspannt, glücklich und erschöpft von den Strapazen der letzten Stunden eine verdiente Mahlzeit in Theth geniessen bevor wir die letzte Schotteretappe angehen.

Die Auffahrt zum Thore-Pass, der von der Passhöhe an wieder asphaltiert ist, gestaltet sich dann aber doch noch einmal herausfrodernder, als ich es in Erinnerung hatte. Trotzdem hatte ich hier endlich mal die Nerven und die Zeit, meine GoPro auf den Helm zu schnallen und ein bisschen zu filmen.

Der Aufstieg durch den Wald ist glücklicherweise nicht mehr so heiss wie die Südroute, bietet aber dafür erstmal nur wenige Aussichten auf die tolle Landschaft. Doch irgendwann ändert sich das, und weil es schon recht spät ist, werden wir nochmal mit sensationellen Bildern belohnt.

Happy Riders

Trotzdem dauert es länger als gedacht, bis wir überglücklich gegen 18:45 die Passhöhe erreichen. Obwohl wir noch über 60 km vor uns haben, haben wir es geschafft. Wir sind Bezwinger der Theth Runde! Ich habe meinen Höhepunkt als Endurofahrer und den Höhepunkt meiner Reise erreicht. Was soll jetzt noch kommen, ich könnte eigentlich morgen wieder heim fahren. Ich bin glücklich.

Danke Rainer, dass du mich auf dieser wahnsinnig tollen Strecke begleitet hast. Alleine hätte ich nach wenigen Kilometern abgebrochen. Schön, dass wir uns zufällig getroffen haben, ich freue mich schon jetzt auf weitere spannende Touren mit dir.

 


1 Kommentar zu „Theth – Die Reife(n)prüfung

  1. An Theth habe ich auch beste Erinnerungen. Tolle Strecke, die viel Spaß macht, aber einem auch in Schwitzen bringen kann, zumindest mit der großen GS.
    Wahrscheinlich bist Du schon zurück, sonst kannst Du mal auf meiner Website noch einige von uns gefahrene Strecken anschauen.
    https://wolfgang-kleinbach.de/motorradreisen/albanien-2016
    Schöne Grüße,
    Wolle

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